INNOVATIVE GRUNDRISSE FÜR DEN GEFÖRDERTEN WOHNUNGSBAU
HAMBURG /
2023 - 2024
Bauherrschaft Amt für Wohnen, Stadterneuerung
und Bodenordnung Hamburg
ARGEStudio Romano Tiedje + Simon Palme
Mitarbeit Wettbewerb Luca Romano
Lisa Tiedje
Simon Palme
Gemeinschaft im Hochhaus Schon von weitem erkennt man das Punkthochhaus, die ausgestellten Markisen wecken Erinnerungen an Tage am Meer. Die metallenen Körbe der vermeintlichen Balkone werfen plastische Schatten auf die hohe Fassade. Einige Teile der Fassade stehen offen, andere sind mit brüstungshohen Pflanzenkörben versehen. Fliesen an der Brüstung erinnern an Strassenzüge in Portugal und verbinden sich doch auch mit dem Backstein der Hansestadt. Der Haupteingang des Hochhauses an der Elbe, befindet sich am Grasbrook Boulevard. Über einen grosszügigen überdachten Eingangsbereich erreicht man das Foyer. Der Straßenbelag zieht sich in das Haus hinein, ein kleines Mädchen malt das Hüpfspiel Himmel und Hölle auf den Boden, während eine ältere Dame ihren Briefkasten leert. Ein weiterer Bewohner, wahrscheinlich einer der Clusterwohnung des Erdgeschosses schiebt sich mit seinem Rollator am Treppenhaus und Aufzug vorbei Richtung Gemeinschaftscafé. Der direkte Anschluss an die weite Terrasse oberhalb der Elbpromenade Holthusenkai lädt zum Verweilen im Schatten ein. Auch dient der Raum der vorgelagerten Terrasse, hier treffen Bewohner*innen des Hauses auf vorbeilaufende Gäste der Nachbarschaft. Ein Mann wischt dort auf der Tafel und aktualisiert den Buchungsplan des Cafés für den kommenden Monat. Auch wenn hier nichts gebucht ist, lässt es sich dort hervorragend arbeiten. Leider nehmen laut Statistik die wenigsten Bewohner*innen eines Hochhauses die Treppe. Das Treppenhaus ist wohl der höchste, dunkelste und auch mystischste Ort des gesamten Hauses, sein Klang und Schall lädt mach einen Musiker zum informellen Üben ein. Verborgene geheimnisvolle Räume dienen oft dem schnellen Rückzug. Auch ich nehme nicht die Treppe, beim Verlassen des Fahrstuhls erreicht mich bereits indirektes Tageslicht. Ein lichtdurchfluteter wintergartenartiger, zweigeschossiger Gemeinschaftsraum, liegt vor mir. Mein Blick schweift weit über die Hafenlandschaft Hamburgs. Ich sehe einen Vater mit seinen beiden Töchtern Hausaufgaben machen. Hier können die Bewohner*innen beider Etagen sich zurückziehen, arbeiten oder auch treffen. Eine Galerie zieht sich bis zur Hälfte in den Raum. Leise kann man von unten das Springen eines Tischtennisballs hören. Die Temperatur im Raum ist angenehm, ein kleiner Luftzug verrät mir, dass die Windrichtung gerade wechselt. Noch mehr möchte ich von den Gemeinschaftsräumen sehen. Es scheint auf jedem zweiten Geschoss solch einen zu geben, einmal nach Norden und einmal Süden. Auf dem Dach angekommen säumen Wäscheleinen die zwei Dachterrassen. Der Geruch von frischer Wäsche und umgetopften Pflanzen prägt die durch die Sonne aufgewärmte Waschküche. Erinnerungen an Reisen in den Süden und der letzte Besuch im botanischen Garten, wechseln plötzlich zu einem beißenden Geruch von Grillfeuer. Der Blick schweift über die außenliegende Küchenzeile, die Vorbereitung einer Geburtstagsfeier ist im Gange. Als ich die Wohnung betrete, fällt der Blick in 3 Richtungen geradewegs hinaus übers Wasser, und den Strandkai hinweg bis hin zur Elbphilharmonie und den Türmen der HafenCity. Die Sonne steht noch tief an diesem schönen Wintermorgen und ihr gleißendes Licht durchströmt die Räume. Ich stehe in einem 5-eckigen Raum, an dem von einer Seite diagonal die zentrale Küche anschließt. Diese gibt eine Blickachse durch das dahinter liegende Esszimmer und die grosszügige Verglasung frei. Von meinem Standpunkt aus sind alle Teile der Wohnung einsehbar und erreichbar. Die Türen in die angrenzenden Räumen stehen, wie an den meisten Tagen, zwanglos offen. Links ist eine Tür leicht angelehnt und lässt das dahinter liegende Schlafzimmer nur erahnen. Als Besonderheit fällt mir in diesem Zusammenhang die Einhängung der Türen auf: Sie öffnen in den Raum hinein und bieten damit mehr Möglichkeiten, visuelle Privatsphäre zu erzeugen. Rechts liegen zwei weitere Räume von denen einer ein Kinderzimmer zu sein scheint. Die Tür zum vierten Raum steht nur einen Spalt breit offen, sodass nur etwas Licht hindurch fällt. Mir scheint, dass diese Wohnung ideal für das Alltagsleben einer jungen Familie geeignet ist. Das zentrale Wohnzimmer, in dem ich stehe, ist durch die offene Küche direkt mit dem Essbereich verbunden. Diese Sequenz von 3 Räumen im Zentrum sorgt für eine große räumliche Nähe zu den anderen Bereichen der Wohnung. Ein Kontinuum von ähnlich proportionierten Räumen erlaubt eine Vielzahl an Möglichkeiten, diese zu organisieren. Die Wohnung ist nicht riesig, wirkt aber durch die Offenheit unglaublich grosszügig. Gleichzeitig kann man mit einigen wenigen Handgriffen Privatheit und Rückzugsbereiche schaffen. Ein Grundriss, der sich flexibel an wechselnde Lebensbedingungen anpassen lässt und ein Maximum aus den zur Verfügung stehenden Quadratmetern herausholt. Ich werde meine Freunde fragen, ob hier im Haus noch etwas frei ist.
RaumkonzeptDieser Entwurfsvorschlag, befasst sich mit der Einfachheit von Strukturen, ändernden Wohnungs- und Raumbedürfnissen, von Luxus in der Einfachheit und von Freiheit in der Nutzung. Die Aktivierung des Eingangs- und Verteilerraums, zelebriert nutzbaren Raum. Der sonst so dunkle Verteilerflur wird ersetzt durch einen Ort des Zusammenkommens. Grosszügige Öffnungen verbinden die gleichwertigen Räume miteinander. Um eine maximale Ausnutzung der Flächen zu gewährleisten, wird auf Erschließungsflächen und Loggien verzichtet. Durch die zu öffnende Fassade werden die Räum selbst zu Loggien. Flexibilität durch Uniformität / Flexibles Raumkontinuum Der Mensch wohnt, kann frei leben, wenn ihm der notwendige Raum dafür gegeben ist. Doch wie genau setzt sich dieser Raum zusammen? Sergison Bates architects beschreiben in Ihrem Buch „Aufsätze 3“, Kapitel: Leben aus der Mitte den zentralen Raum, als einen Raum der quadratisch wirkte, tatsächlich, aber sechs Ecken und sechs Türen hatte. Wohlvermerkt, keine direkten Fenster. Um sich ständig veränderten Lebensbedingungen und wechselnden Bedürfnissen von Bewohner*innen im urbanen Milieu anzupassen schlägt der Entwurf vor mit dem Grundmodul eines quadratischen ca. 12 m2 großen Raumes zu arbeiten. Diese Größe ergibt sich aus dem konstruktiven Raster von 3.90 Meter und aus den Flächenvorgaben der Hamburger Wohnraumförderung. Gleichwohl sind in einem solchen Raum verschiedene Nutzungen denkbar. Es kann ein Schlafraum, ein Kinderzimmer, ein Arbeitszimmer oder etwas ganz anderes sein. Verbindet man zwei oder mehr solcher Räume entstehen gro.zügige Wohn- und Essbereiche. In den hier vorgeschlagenen Wohnungen lassen sich Räume nach Bedarf über große zwei-flügelige Türen zusammen schalten und kombinieren. So kann eine Wohnung sich mit ihren Bewohner*innen verändern. Durch einfache Anpassungen entstehen zusätzliche Privaträume oder der Wohnbereich wird erweitert. Ein solcher Grundriss aus drei ähnlichen schaltbaren Kammern zementiert kein Lebensmodell, sondern schafft vielmehr die Kulisse für verschiedene Arten des Zusammenlebens. Obgleich Privatheit bei Bedarf möglich ist, fördert der offene Grundriss Begegnungen und Geselligkeit.
Effizienz und Spannung Die Sonderbausteine wie Küchen und Nassräume werden nicht, wie üblich um den Kern angeordnet, die Wohnungen nicht wie üblich über kleine Dielen und schmale Flure erschlossen, sondern man betritt die Wohnung über einen zentralen Raum. Diese mittleren Räume werden über angrenzende Zimmer belichtet und können je nach Bedarf mit verschiedenen Funktionen belegt werden. Die Platzierung der Schächte erlaubt das Spiegeln des Regelschosses und ermöglicht viel Freiraum im Plan. Die Küche ist als Durchgangsraum gedreht ins Zentrum gestellt. Um diesen zentralen Block legt sich ein Kontinuum. Zwei gegenüberliegende Arbeitsflächen erinnern an das Innere eines Bootes und ermöglichen kompakte und praktische Abläufe. Die allseits bekannte Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky wurde 1926 im Zuge einer Wohnbaureform in Frankfurt als Prototyp einer modernen Einbauküche entwickelt und dient als Inspiration. Durch die Drehung und zentrale Platzierung des Funktionskerns entsteht ein Raumkontinuum mit diagonalen Verbindungen.